LitCam Konferenz 2010

Literacy and Human Rights

Die 5. Internationale LitCam-Konferenz stand unter dem Thema „Literacy and Human Rights“. Nach der Begrüßung durch den Moderator Neil McClelland, Gründer des National Literacy Trusts, und Karin Plötz, Direktorin der LitCam, startete die Veranstaltung mit einem Grußwort der UNESCO-Vertreterin Ulrike Hanemann zum Thema „Recht auf Bildung“.

Bildung und ihre Auswirkung auf die Menschenrechte standen dann auch im Mittelpunkt der Keynote von Prof. Alberto Estanislao Sileoni, dem argentinischen Bildungsminister. In seiner exzellenten Rede machte er deutlich, dass das Bildungsprogramm der Regierung Argentiniens seit 2003 die Verteidigung und Weiterentwicklung der Menschenrechte als vorrangiges Ziel hat. Voraussetzungen dafür sind die Förderung der Grundbildung sowie die Erziehung zum mündigen Bürger und zur sozialen Gerechtigkeit. Das Recht auf Bildung bedeutet nicht nur, dass Kinder zur Schule gehen, sondern „dass die Jugendlichen nach dem Abschluss der 13 Jahre Schulpflicht in Argentinien die Fähigkeit erlernt haben, sich in der Gesellschaft, dem Arbeitsmarkt und der Universität eingliedern zu können“.

Bildung ist ein Menschenrecht – das ist die Kernaussage der zweiten Keynote von Vernor Muñoz Villalobos, dem früheren UN-Sonderbotschafter für das Recht auf Bildung. Da Herr Villalobos leider kurzfristig nicht teilnehmen konnte, verlas der Moderator Neil McClelland seine Rede.

Inwieweit Bildung soziale Gleichberechtigung beeinflusst, erläuterte die Sonderbotschafterin des EU-Jahres zur Bekämpfung der Armut und sozialen Ausgrenzung, Dr. Vaira Vike-Freiberga, in ihrer Rede.

In den darauffolgenden vier Praxisbeispielen aus der Projektarbeit wurde deutlich, dass Grundbildung und der Aufbau und die Einhaltung von Menschenrechten eng miteinander verknüpft sind.

Ohne die Berücksichtigung traditioneller Werte und vorhandener Strukturen ist eine effiziente Förderung von Bildung und Menschenrechten nicht möglich. Dies erklärte Molly Melching, Gründerin und Direktorin der senegalesischen Organisation Tostan. Tostan bedeutet auf Deutsch „Durchbruch“, und nach über 30 Jahren Basisarbeit im westlichen Afrika haben Molly Melching und ihre Organisation wirklich einen Durchbruch erzielt. Die kontinuierliche Bildungsarbeit unter Einbeziehung der traditionellen Führer der Dorfgemeinschaften und mit traditionellen Formen wie Gesang, Theater und Geschichten bewirkte neben einer Stärkung des Bewusstseins der eigenen Traditionen auch den Zugang zu neuen Werten. In Theaterspielen wurde z. B. die Gewalt von Männern an Frauen deutlich gemacht. Dadurch gewannen die Frauen mehr Zuversicht und entsprechend auch den Mut, sich zur Wehr zu setzen. Und auch die Männer wurden sich der negativen Auswirkungen ihres Verhaltens bewusst.

Auf ähnliche Weise hat es Molly Melching erreicht, dass die traditionelle Beschneidung der Mädchen immer mehr als Unrecht empfunden und selbst in ländlichen Gebieten nur noch selten durchgeführt wird. Tostan führt mittlerweile in 10 afrikanischen Ländern, darunter Senegal, Gambia, Mali und Somalia, Programme durch.
Auch um die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder geht es Farid Abu Gosh, dem Gründer und Direktor von TRUST, dem Programm für frühkindliche Erziehung, Familien und Gemeinschaftsbildung aus Israel. Der palästinensische Israeli hat es sich zur Aufgabe gemacht, durch Grundbildung die Position der Frauen zu verbessern und ihnen mehr Selbstvertrauen zu vermitteln. Dies geht allerdings nur im Rahmen der Traditionen, denn z. B. eine offene Anklage gegen einen gewalttätigen Ehemann wäre ein Tabubruch. Der respektvolle Umgang innerhalb der gesamten Familienstruktur ist daher für ihn die Grundfeste seiner Arbeit.

Wie die Medien – TV, Radio und Internet – neben Bildung auch den respektvollen Umgang miteinander und Menschenrechte vermitteln können, zeigten dann Ignacio Hernaiz und Carolina Masci vom argentinischen Bildungskanal „Encuentro“. Der vom argentinischen Bildungsministerium finanzierte Medienkanal „Encuentro“ präsentierte das Programm „Live Together“, durch das Kinder und Jugendliche mit ihren eigenen Gedanken zum Leben in der Gesellschaft konfrontiert werden. Multimedial und interaktiv lernen sie – neben dem normalen Bildungsprogramm – spielend, was Gleichberechtigung, Menschenrechte und Respekt bedeuten.

Von Flüchtlingen und ihrem Recht auf Bildung berichtete der Schauspieler, Dokumentarfilmer und Aktivist Hannes Jaenicke anhand der Situation tibetischer Flüchtlinge in Indien. In der Internationalen Kampagne für Tibet ist er aktiv an dem Aufbau einer Schule in Indien beteiligt. Diese Schule wurde speziell für die tibetischen Flüchtlingskinder eingerichtet, die dort nicht nur Unterricht erhalten, sondern auch Hilfe für ihre erlebten Traumata. Zurzeit werden über 16.000 Schüler in den Tibetan Children’s Villages unterrichtet. Oftmals waren sie lange unterwegs und haben ihre Eltern verloren, sodass sie in diesen Schulen ganz von vorne anfangen müssen.

In der Abschlussrunde diskutierten der deutsche Schauspieler Hannes Jaenicke, der argentinische Autor Martín Kohan, der argentinische Filmemacher Ciro Cappellari sowie die iranische Autorin Pegah Ahmadi über die Wirkung von Grundbildung und Literatur/Filmen auf den Aufbau und die Einhaltung von Menschenrechten. Alle waren sich einig, dass in der globalisierten Welt Filme/Bilder und Worte einen großen Einfluss auf die Einhaltung der Menschenrechte haben können. Als Beispiel wurde der Film „Blood Diamond“ genannt.

Wie in den letzten Jahren war der Folgetag den Workshops gewidmet. Neben Workshops zu den bereits am Vortag präsentierten Projekten von Molly Melching, Tostan, und Farid Abu Gosh, Trust, die intensiver auf ihre Arbeit eingehen konnten, führten auch weitere Organisationen Workshops durch. So z. B. die Vertreter von Book Wish, Lorraine und Logan Kleinwaks, die das Projekt „A Book for Darfur“ durchführen, das sich um die Bereitstellung von Büchern und Lesehilfsmitteln wie Lesebrillen in den Flüchtlingslagern von Somalia kümmert, sowie das Projekt „Building Bridges with Books“ von Carsten Rübsamens Organisation Bookbridge, die in der Mongolei ein Programm zur Alphabetisierung und Grundbildung gestartet hat. In „Mobile Learning that Empowers“ zeigte Theophilus Lindzter von der Learning Academy Worldwide, welche Bedeutung mittlerweile das Mobiltelefon in Südafrika hat. Wie bereits Molly Melching mit dem Projekt „Mobile Phone for Literacy Development“ (MPLD) nutzt auch Theophilus Lindzter spezielle Module für das Mobiltelefon, um die Alphabetisierung effizient zu fördern.

Einen anderen Aspekt brachte der Workshop „From the Inside Out: Publishing with Children“ von Orla Kenny und Mary Branley, Kid’s Own Publishing, zum Ausdruck. Sie zeigten, wie Kinder selbst Kinderbücher erstellen. Ein bereits in der Keynote des argentinischen Bildungsministers behandeltes Thema griff Caraigh McGregor vom OSCE aus Belgien in seinem Workshop „Trafficking in Human Beings and the ELT Classroom“ auf – wie können Lehrer das Thema Human Rights in den Unterricht integrieren?

Zum Abschluss des zweitägigen Kongresses ist eines deutlich geworden: Um Bildung effizient zu vermitteln und damit einhergehend Menschenrechte durchzusetzen, sind Geduld und die Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten nötig.

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