1990 wurde Deutschland in Rom zum dritten Mal Fußballweltmeister. Unvergessen ist direkt nach dem Finalsieg das Bild des in Gedanken versunkenen Teamchefs Franz Beckenbauer, der allein über das leere Spielfeld lief. Am 7. Januar 2024 ist Franz Beckenbauer verstorben.
Karins Fußballkolumne:
WIR HELDEN VON ROM
Die wahre Geschichte der Fußball-WM 1990, erzählt von allen Weltmeistern
Neben den vielen Nachrufen und Dokumentationen, die jetzt erscheinen, ist das Buch „Wir Helden von Rom“ mit den Originalkommentaren aller Spieler eine authentische Erinnerung nicht nur an die WM in Rom, sondern auch an Franz Beckenbauer, der nicht nur als Spieler 1974, sondern auch als Teamchef 1990 Weltmeister wurde.
Nils Suling wählt eine ungewöhnliche Erzählweise. Er lässt die Spieler berichten. Das ist nach einer kurzen Eingewöhnungszeit beim Lesen eine sehr unterhaltsame und vor allem authentische Darstellungsform der vom WM-Team erfahrenen Erlebnisse. Als Anhang werden Trainerstab und Mannschaft noch einmal namentlich einzeln aufgeführt.
Alle Spieler und Trainer des legendären Teams erzählen, wie sie persönlich diesen unvergesslichen Triumph erlebt haben. Das Vorwort kommt vom Teamchef Franz Beckenbauer persönlich. Auch die aktuellen Aussagen der damals teilnehmenden Spieler über den Teamchef Beckenbauer bestätigen, dass sich das Team als „verschworener Haufen“ fühlte und sich alle gut verstanden.
Wer die WM 1990 in Rom nicht erlebt hat, kann sie hier anhand der kurzen Erinnerungen der teilnehmenden Personen ziemlich gut nachvollziehen. Und es sind illustre Anekdoten dabei. Direkt zu Beginn muss das Team statt nach Verona nach Mailand ins Mannschaftsquartier. Ein Hotel wird gefunden, aber dort fehlt ein Pool. Dazu meint Beckenbauer: „Ruhig Berti, wir bauen da einen Pool, kein Thema“ und sorgt dafür, dass das Hotel noch einen Pool bekommt.
Der Erfolg der Mannschaft beruhte auf deren Zusammenhalt. Nicht nur Rudi Völler schätzte den Teamgeist als sehr hoch ein: „Die Harmonie war außergewöhnlich. Jeder Spieler hat sich dem Erfolg untergeordnet. Dieser Teamgeist war die Grundlage dafür, den Titel zu gewinnen.“
Natürlich gab es auch mal unzufriedene Spieler. Pierre Littbarski und Uwe Bein wurde beim Halbfinale gegen England nicht aufgestellt. Pierre Littbarski erzählte „Wir beide waren stinksauer – und egoistisch. Ich habe nicht an meine Verletzung gedacht“.
Chronologisch geht Nils Suding die einzelnen Spiele durch und lässt die Spieler dazu ihre Erlebnisse schildern. So sagt Andreas Brehme: „Unser Halbfinale gegen England war für mich das beste Spiel der WM“. Das entscheidende Elfmeterschießen kommentiert Beckenbauer so: „Elfmeter ist Trainingssache, die haben wir sechs Wochen lang jeden Tag geübt... Am Ende hatten wir lauter Kunstschützen“. Allerdings gab es doch einige Spieler, die sich nicht freiwillig meldeten. Aber fünf Schützen waren sofort dabei. Und der Torwart Bodo Ilgner wurde „Man of the Match“. Deutschland gewann das WM-Halbfinale im Elfmeterschießen.
Die WM 1990 hatte für Deutschland eine besondere Bedeutung. 1989 war es zum Fall der Berliner Mauer gekommen und Deutschland stand vor der Wiedervereinigung. Vor dem Finale fallen entsprechende Bemerkungen. Jürgen Klinsmann war von der Macht des Fußballs überzeugt: „Wir können durch den Gewinn der Weltmeisterschaft wieder zusammenwachsen in Deutschland.“
Am 8. Juli 1990 kam es zum Finale gegen Argentinien um Superstar Diego Armando Maradona in Rom. Wieder kommen die legendären Worte von Beckenbauer: „So, und jetzt geht’s raus und spielt’s Fußball!“ Die Argentinier hatten eine harte Spielweise mit vielen Fouls. Aber die Zuschauer waren auf der Seite Deutschlands, da Italien gegen Argentinien im Halbfinale verloren hatte. Den entscheidenden Elfmeter für Deutschland verwandelte Andreas Brehme zum 1:0 Sieg und machte Deutschland zum Weltmeister.
Nach dem Endspiel erklärte Beckenbauer die deutsche Elf auf Jahre hinaus für unbesiegbar. Laut Berti Vogts sagte er danach zu ihm: „Du Berti, ich habe gerade Scheiß geredet“.
Die zahlreichen Anekdoten zum Spielgeschehen und zu allem, was sich davor und danach ereignete, sind sehr unterhaltsam und machen das Buch absolut lesenswert. Wer wissen will, was bei der WM 1990 tatsächlich passiert ist und wie sich die deutschen Spieler fühlten, hat mit diesem Buch die richtige Wahl getroffen – und kann sich schon mal auf die EURO 2024 in Deutschland einstimmen.
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