Union Berlin hat gegen Borussia Mönchengladbach auch ohne seinen nigerianischen Torjäger Awoniyi gewonnen. Awoniyi ist wie einige andere wichtige Fußballprofis aus den europäischen Fußballligen beim Afrika Cup dabei. Was bei uns die Fußball EM ist, ist der Afrika Cup nicht nur für die afrikanischen, sondern auch für die arabischen Fußball Fans. Ägypten wird mit dem Liverpooler Torgarant Mo Salah eine Titel-Chance eingeräumt.

Welche Rolle in der arabischen Welt der Fußball spielt, ist Vielen in Deutschland unbekannt. Sie kennen meist nur Katar als umstrittenen Ausrichter der Fußball WM 2022. Wer das vor der WM im Dezember ändern möchte, dem ist das Buch "Spielball der Scheichs. Der arabische Fußball und die WM in Katar" zu empfehlen.
Der Historiker, Islamwissenschaftler und sicherlich auch Fußballfan Jakob Krais beschreibt spannend und eindrucksvoll die vielfältige Fußballwelt zwischen Maghreb und Golf.

Von Marokko im Westen bis hin zum Irak im Osten kicken schon die Kinder auf den Straßen und die Stadien sind meist voll. Bei der WM 2018 waren vier arabische Teams dabei. Ägypten nahm bereits 1934 bei einer WM teil.
Während der Fußball im Gepäck der Kolonisation seinen Einzug nahm, war es dann aber auch der Fußball, der ein Nationalgefühl stärkte. So gab die Nationalmannschaft des Irak durch den Gewinn des Asientitels 2007 dem zerstrittenen Land Hoffnung, das Land war vereint im Jubel. In Ägypten wurde der Klub Al Ahly 1907 als antikolonialer Club gegründet. Heute ist er ägyptischer Rekordmeister und „Afrikas Club des 20. Jahrhunderts“. Die berüchtigten Fans, die Ultras von al-Ahlawy, waren an der Revolution in Ägypten 2011 beteiligt.
In den letzten Jahren entwickelt sich sogar der Frauenfußball in den arabischen Staaten. In Jordanien gibt es 15 Fußballzentren, in denen etwa 400 Mädchen zwischen acht und 14 Jahren trainieren. Marokko kündigte 2020 an, innerhalb von vier Jahren ca. 6 Mio. Euro in den Frauenfußball zu investieren. Die tunesische Schiedsrichterin Dorsaf Ganouati ist die erste Schiedsrichterin, die außerhalb Europas ein Erstligaspiel der Männer pfiff. Und es gibt neben Mo Salah und Sarah Abu Sabbah viele arabische Top-Fußballerinnen und Top-Fußballer.

In den Golfstaaten spielt dagegen die Investition in den Fußball, bzw. in den Sport eine große Rolle. Um ihr Image aufzubessern, bieten die Golfstaaten auch im Winter warmes Wetter, erstklassige Sportanlagen, gelungene Organisation von Sportevents und wenige nervige Regulierungen. Das macht sie für viele Sportveranstaltungen interessant. Die andere Seite der Investitionen ist: Heute kommt keine große Liga mehr ohne arabische Investoren oder Sponsoren aus. Scheichs von der arabischen Halbinsel leiten europäische Top-Clubs und gehören zur Führung internationaler Verbände. Als einflussreichster Mann im Weltfußball gilt laut des französischen Fußballmagazins "France Football", das seit 1956 auch den "Ballon d'Or vergibt, der Katari Nasser al-Khelafi. Er sitzt nicht nur im Organisationskomitee der WM 2022, sondern ist vor allem Präsident von Paris Saint-Germain sowie Mitglied des UEFA Exekutivkomitees. Sein Konkurrent ist Khaldoon al-Mubarak aus Abu Dhabi, der Manchester City vorsteht. Bei den Plänen zur Super League im letzten Jahr fiel auf, dass Bayern München und PSG nicht dabei waren. Hintergrund: Die Idee der Super League stammt ebenfalls von Geldgebern aus Saudi-Arabien, die zu Katar in Konkurrenz stehen.

Natürlich berichtet Krais auch über die Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe der WM 22. Bei aller Kritik an Katar als Austragungsort der WM weist er aber auch darauf hin, dass z. B schon 1970 die WM in der mexikanischen Mittagshitze gespielt wurde, um in Europa zur besten Fernsehsendezeit zu laufen. Und in Florida finden Eishockeyspiele auch bei heißen Temperaturen in den entsprechend ausgestatteten Hallen statt.
Auch ohne WM oder PSG wären internationale Institutionen, westliche Staaten und Unternehmen mit Katar verbunden, aus wirtschaftlichen, militärischen und geostrategischen Gründen. Ein Bayernspiel in Riad sollte man kritisieren, im Vergleich zu den jahrelangen deutschen Waffenlieferungen an das wahhabitische Königreich ist es aber natürlich relativ unbedeutend.

Jacob Krais ist es gelungen, ausgehend von der geplanten WM in Katar einen umfassenden Überblick über die Situation des Fußballgeschehens und dem Wert des Fußballs in der arabischen Welt darzustellen. Nicht nur für Fußballfans ist dieses Buch absolut lesenswert, da neben dem Fußballgeschehen auch die Hintergründe, Fakten und die Vorgehensweisen der Golfstaaten verständlich dargestellt werden.

Übrigens ist FIFA-Boss Gianni Infantino jetzt nach Katar gezogen.

Jakob Krais
Spielball der Scheichs
Der arabische Fußball und die WM in Katar
ISBN 978 37307 0563 6
Preis: 16,90 Euro

Copyright Cover: Verlag Die Werkstatt