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Ullstein: Jürgen Klopp3. Dezember 2017: "Kloppos Biografie"

Jürgen Klopp ist in der Fußballwelt gerade wieder in aller Munde. Wenn es um einen Nachfolger für den angeschlagenen Dortmunder Trainer Peter Bosz geht, taucht der Name immer wieder auf. Und als aktueller Trainer des FC Liverpool macht er den englischen Fußball für viele deutsche Fußballfans noch interessanter und brachte den FC Liverpool wieder auf die Erfolgsspur und zur Teilnahme an der Champions League Saison 2017/18.

Den bisherigen Lebensweg dieses einzigartigen deutschen Trainers, auch "Kloppo" genannt, von einem  normal begabten Fußballspieler zu "the normal one" − dem Kult-Trainer, der jetzt die Fans des FC Liverpool begeistert, beschreibt der renommierte Sportjournalist Raphael Honigstein. Bereits beim FSV Mainz 05 und vor allem Borussia Dortmund war Jürgen Klopp mehr als ein Trainer und die Vereine wurden von ihm geprägt. Jürgen Klopp ist einfach eine "Marke".

Spannend bereitet Honigstein anhand von Gesprächen mit Wegbegleitern, Freunden und Familie des Trainers die einzelnen Lebensstationen von "Kloppo" auf. Als drittes Kind und einziger Sohn wird er vom sportbesessenen Vater Norbert schon früh mit der Fußballbegeisterung angesteckt. Mit 23 Jahren wird Klopp Profi-Fußballer, der sich durch seine Leidenschaft und Führungsstärke auszeichnet. Ansgar Brinkmann, mit dem er beim damals noch zweitklassigen FSV Mainz 05 spielt, meinte: "Kein Gegenspieler hat mich je so beschimpft wie er. Er brüllte ständig: 'Los, beweg dich'. Du hast am Ende mehr Angst gehabt vor ihm als vor dem Gegenspieler". Aber jeder mochte und akzeptierte Klopp.

Als Mainz dann kurzfristig einen Trainer brauchte, entschied sich der FSV Manager Heidel seinen erfahrenen Führungsspieler als Trainer einzusetzen. Aus der Interimslösung wurde der Kult-Trainer. Klopp schaffte es mit seiner Leidenschaft und seiner Erfahrung, den Verein nach zwei Anläufen im dritten Jahr in die erste Liga zu bringen. Als er sich entschied, zu Borussia Dortmund zu gehen, gab es im Mainzer Anhang viele Abschiedstränen. In den sieben Dortmunder Jahren gelang es ihm, aus einer ganz jungen Mannschaft einen zweimaligen Meister und Deutschen Pokalsieger zu machen und diese "wilde Truppe" ins Champions League-Finale zu führen.

Klopp selber führt seinen Erfolg auf seine Leidenschaft, aber vor allem auch auf die Erfahrungen, die er als Spieler u. a. mit dem damaligen Trainer Wolfgang Frank machte, zurück. Frank war einer der ersten, der neue Spielsysteme andachte. Auch Klopps Sportstudium, das er neben seiner Fußballkarriere absolvierte, hat einen großen Anteil an seinem Erfolg, vor allem die Bereiche Ergotherapie und Psychomotorik – Persönlichkeitsstruktur und Bewegung.

Es gibt viele weitere interessante Aspekte und Geschichten zu Klopp, die Honigstein sehr lesenswert darstellt, so dass man das Buch fast nicht aus der Hand geben will (zumindest als BVB-Fan).

Daher meine eindeutige Meinung zu "Ich mag, wenn's kracht": sehr empfehlenswert!

Bibliografie

Raphael Honigstein:
"Ich mag, wenn's kracht − Jürgen Klopp. Die Biographie"
Ullstein extra
333 S., 20 Euro
ISBN 9783864930553

© Ullstein


Choreo Delius Klasing6. November 2017: "Kreative Fankunstwerke in den Stadien"

Wenn der Begriff "Fußball-Fankurven" fällt, denken viele an gewaltbereite Hooligans. Dies ist eine sehr einseitige Sicht und Hendrik Buchheister macht das mit dem wunderbar gestalteten Bildband "Choreo" deutlich. Fußball-Fankurven sind heute fast Kunstgalerien, denn die Fan-Choreografien in den Stadien sind an manchen Spieltagen absolut eindrucksvoll.

Fans, insbesondere die Ultras, kreieren seit ungefähr fünfzehn Jahren großartige Fan-Choreografien. In oft sehr zeit- und auch kostenintensiver, aber vor allem kreativer Gemeinschaftsarbeit schaffen sie Meisterwerke für das Stadion. Dabei geht es um Inhalte: Würdigung von Personen, historische Ereignisse aber auch um politische Aussagen.

Hendrik Buchheister hat einige der kreativsten und auch kontroversesten Fan-Choreografien recherchiert und erzählt ihre Geschichten.

Wie Fans sich tief in die Historie einarbeiten, daraus dann eine großartige Fan-Choreografie entsteht und dafür ihr Engagement vom DFB ausgezeichnet wurde, zeigt die Münchner Ultra Gruppe Schickeria. Auf einer Blockfahne – so breit wie ein Sechzehnmeterraum – zeigten sie Kurt Landauer, einen bayrischen Juden, der viermal Präsident des FC Bayern war und von den Nazis verfolgt wurde. Sie wandten sich damit gegen Rassismus, aber brachten auch die Historie um Landauer wieder zum Vorschein. Kritik gegen die Kommerzialisierung des Fußballs demonstrierten die Nürnberger Fans in ihrer Choreografie mit der Vereinslegende Max Morlock: gegen das Stadionsponsoring und für ein "Max-Morlock-Stadion". Und auch Trauerarbeit wird  geleistet: In Wolfsburg verarbeiteten die Fans den Unfalltod des 20-jährigen Spielers Junior Malanda und in Darmstadt wurde von der Identifikationsfigur Jonathan Heimes nach seinem Krebstod durch eine Fan-Choreografie Abschied genommen.

Vor allem geht es aber um die Spiele, ihre Geschichten und natürlich die Anfeuerung der Teams. Dies wurde in zwei großartigen Fan-Choreografien deutlich: In Dortmund wurde beim Champions League Spiel gegen Malaga erstmals ein Trick verwendet, um visuell auch den erscheinenden Spruch "Auf den Spuren des verlorenen Henkelpotts" darzustellen und auf Schalke wurde monumental den "Eurofightern" gehuldigt.

Dieses Buch mit seinen zahlreichen, oft spektakulären Fotos und den vielfältigen spannenden und hintergründigen Geschichten eröffnet neue Sichtweisen auf die Fankultur und ist absolut lesenswert.

Bibliografie

Hendrik Buchheister:
CHOREO − Kunstwerke aus deutschen Fußball-Fankurven
Delius Klasing Verlag
29,90 Euro
ISBN 978-3-667-11052 7

© Delius Klasing


Wenn Fussball Schule macht1. Oktober 2017: "Vom Fußballprofi zum Lehrer

Aktuell wird über Fußball-Millionäre und gewaltige Ablösesummen geredet. Aber es gibt auch erfolgreiche Fußballer, die nach ihrer Fußball-Laufbahn zurück in die normale Arbeitswelt gehen müssen. Einer von ihnen ist Knut Reinhardt. Mit Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen gewann er die Champions League, den UEFA Pokal und die Deutsche Meisterschaft. Nachdem er seine Karriere wegen einer Knieverletzung beenden musste, startete er ein neues Leben, studierte und wurde Lehrer.

Seine Fußballkarriere und seine erfolgreiche Arbeit als Lehrer beschreibt Knut Reinhard in seinem eigenen einfachen und ehrlichen Stil in "Wenn Fußball Schule macht". Schon als kleiner Junge bestimmte Fußball sein Leben und als mäßig guter Schüler hatte er nur die Profi-Karriere im Kopf. Das Abitur schaffte er mit Mühe und Not. Als 19-Jähriger spielte er bereits in der Bundesliga bei Leverkusen und war vor allem in seiner Zeit beim BVB beliebt als Spieler, der kämpft und sich durchsetzt. Dass er aber nie zu den ganz Bekannten gehörte und auch privat Höhen und Tiefen erlebte, gibt er schonungslos preis.

In seinem zweiten Berufsleben findet er den Weg zurück nach Dortmund. Die Härte des Fußballprofi-Geschäfts hat ihn gut vorbereitet auf die nicht so einfache Arbeit als Grundschullehrer. Knut Reinhardt schildert eindrucksvoll, wie die "Bildungswelt" in einer Grundschule im Dortmunder Norden aussieht und wie er auch in schwierigen Situationen aus seiner Erfahrung aus der Fußballwelt profitiert. Teamgeist und Fairness helfen auch im Schulleben weiter. Kinder brauchen Strukturen und auch Wärme. Beides kann Knut Reinhardt geben und findet so in seinem zweiten Berufsleben wieder eine erfüllende Aufgabe. "Ich versuche, die Kinder stark zu machen. Bei mir dürfen sie Fehler machen. Entscheidend ist, dass sie bereit sind, sich anzustrengen."

Eindrucksvoll ist auch, wie Reinhardt die Fußballwelt und das Leben nach dem Fußball bewertet: "Mir ist bewusst, dass ich einer der wenigen bin, denen es gelungen ist, ein Leben nach dem Fußball aufzubauen. Und zwar nicht nur eines nach, sondern auch eines ohne Fußball."

Knut Reinhardt gibt in seinem Buch ehrlich und direkt einen Überblick sowohl über das Leben eines Fußballprofis in den 90er Jahren sowie auch über die Arbeit eines engagierten Lehrers heute.  

Bibliografie:

Knut Reinhardt, Lisa Blitzer:
"Wenn Fußball Schule macht. Mein Weg vom Fußballprofi zum Lehrer"
Edel Germany
240 Seiten, 19,95 EUR 
ISBN: 9783841905543

© Edel


Piper Lebenslänglich Fußball3. September 2017: "Bei Wind und Wetter auf der Tribüne"

Viel war in den letzten Wochen von gewaltbereiten Fußballfans die Rede. Diese Fans stellen aber nur einen schwindend geringen Anteil an den Fußballfans dar. Mit den 99 Prozent der anderen Fußballanhänger beschäftigt sich "Lebenslänglich Fußball". Manuel Andrack, einigen noch bekannt als Sidekick bei der Harald Schmidt Show, hat sich lange mit dem Thema Fans beschäftigt und mit einer Vielzahl von Fans gesprochen und Spiele gemeinsam erlebt. Daraus ist ein amüsantes Buch entstanden.

Andrack, selber seit Jahrzehnten Fan des 1. FC Köln, stellt die Frage, ob Fans eigentlich "verrückt" sind. Für den Fan ist der Verein eine Herzenssache, es geht um Leidenschaft und Treue. Er diagnostiziert Fan-Sein nach folgenden Symptomen: der Puls geht kurz nach dem Anpfiff hoch, man greift panisch zum Smartphone, um den Live-Kicker zu aktualisieren, nach einer Niederlage greift eine meist zweitägige Depression und bei jedem verpatzten Spielzug verkrampft man, allerdings auch bei einer Chance der gegnerischen Mannschaft. Wenn Sie diese Symptome bei sich wieder erkennen, sind sie ein Fan. Wenn nicht, eher ein Fußballfreund.

In 20 Kapiteln stellt Andrack die verschiedensten Variationen des Fan-Seins dar. Da gibt es den Saarbrücken-Fan, der den Abstieg seiner Mannschaft von der 2. Liga in die Regionalliga-Südwest miterlebte und einen freiwilligen Fan-Entzug durchmachte, aber dann vor Ort beim Spiel seine Leidenschaft für Saarbrücken doch wieder entdeckt. Oder den Fan, der bei Wind und Wetter bei jedem Spiel seiner Mannschaft auf der Tribüne steht.

Auch der "Mecker-Opa" als Fan ist sicherlich einigen bekannt. Seine Mannschaft wird von ihm immer kritisiert. Andrack nutzt als Erklärungshilfe die Einschätzung eines Psychologen. Beim Meckern z.B. ist die Erklärung eine leichte narzistische Störung. Da der Fan nicht mit den Verletzungen durch die Niederlagen seines Vereins klarkommt, steigert er sich hinein in die Wut gegenüber den eigenen Spielern. Und so finden sich psychologische Erklärungen für die vielen Formen des Fan-Sein, vom Magischen Denken über polyamouröse Fans bis hin zu den bereits erwähnten Fußballfreunden.

Fast alles beim Fußballspiel wird bewertet, nur die Bewertung der Fans fehlt. Andrack plädiert für eine Fan-Support Bewertung. Ohne die kreativen Gesänge, die Unterstützung und aber auch den Liebesentzug der Fans wäre Fußball halb so interessant. Ob Sie Fan sind oder nur Fußballfreund – interessantes und amüsantes über Fans finden Sie in "Lebenslänglich Fußball".

Bibliografie:

Manuel Andrack:
"Lebenslänglich Fußball. Vom Wahnsinn, Fan zu sein"
Piper Verlag
256 S., 10 Euro
ISBN 978-3-492-30591-4

© Piper Verlag


Droemer Knaur: 90 Minuten6. August 2017: "Unvergessene Momente"

Neymar wird für 222 Millionen Ablösesumme nach Paris St. Germain gehen. Fußball ist heute nicht nur die beliebteste und bedeutendste Sportart der Welt, sondern spielt auch wirtschaftlich eine Rolle. Die heutigen Ablösesummen lassen viele Fans an dem Slogan "Elf Freunde sind wir" zweifeln.

Aber es gibt auch eine andere Seite. Es gibt Fußballspiele und Fußballmomente, die man nicht vergisst, so z. B. die "Hand Gottes" von Maradona im Spiel England gegen Argentinien während der WM 1986. Oder Schweinsteigers "blutiges" Durchhalten im Finale der WM 2014 in Brasilien, in der Deutschland Weltmeister wurde. Neunzig solcher Geschichten, die Fußballspiele geschrieben haben, hat Christian Eichler, Autor und Sportjournalist bei der FAZ, zusammengefasst. Und daraus eine amüsante und sehr informative historische "Fußballspiel-Reise" geschrieben, die vom Verlag als "Bildungsroman des modernen Fußballs" präsentiert wird.

Die Geburtsstunde des heutigen Fußballs schlug 1863 in England. Schon seit dem Mittelalter fanden fußballähnliche Spiele statt. Aber im Jahr 1863 formulierte ein Ebenezer Cobb Morley eine Urform der "Laws of the game". Und von da an startete der Fußball seine Erfolgsgeschichte(n). Natürlich erzählt Eichler auch vom entsprechenden Fußballspiel Barnes FC gegen Richmond 1863.

Aber der Autor geht nicht chronologisch vor, sondern startet seinen Roman mit dem WM Finale in Brasilien und den beiden WM Helden Götze und Schweinsteiger. Unmittelbar danach führt er uns zurück in das Jahr 1950 mit dem Spiel USA gegen England. So springt Eichler mit seinen Geschichten durch die Zeiten, aber auch durch die Hintergründe der Spiele. Die Geschichten handeln von politischen Manipulationen (Argentinien gegen Peru, WM Argentinien 1978), von Wundern ("Wunder von Bern") und von Helden, von der "Hand Gottes" und dem "Wembley Tor". Bei einigen Fußballspielen fallen einem direkt die einzelnen Szenen wieder ein. Bei anderen ist man erstaunt und fasziniert von den Eindrücken dieser bis dahin unbekannten Spiele.

Eichler gelingt es, eine spannende und überaus lesenswerte Ballstafette durch die Fußballgeschichte zu erzählen, die neben der Unterhaltung auch viel Information bietet. Das Buch ist zwar nicht in 90 Minuten zu lesen, aber die Verlängerung ist es auf jeden Fall wert.

Bibliografie

Christian Eichler
"90 − Oder die ganze Geschichte des Fußballs in neunzig Spielen"
Droemer Knaur
512 S., 16,99 Euro
ISBN 978-3-426-30139-5

© Droemer Knaur


Helmut Schön30. Juni 2017: "Der Meistertrainer"

Es läuft gut für Jogi Löw. Beim Confed Cup in Russland steht die deutsche Mannschaft im Finale. Für den Trainer ist dies eine perfekte Vorbereitung für die Weltmeisterschaft im nächsten Jahr. Nach seinem WM-Erfolg 2014 in Brasilien sind die Erwartungen hoch.

Mit großen Erwartungen lernte auch Helmut Schön umzugehen - derzeit noch der erfolgreichste Bundestrainer. Von 1964 bis 1978 trainierte er die deutsche Nationalmannschaft. Als Nachfolger des legendären Sepp Herberger musste er sich erstmal beweisen. Dies gelang ihm eindrucksvoll mit den Titeln bei der EM 1972 und der WM 1974. Seine legendäre Mannschaft um Franz Beckenbauer und Günter Netzer zelebrierte wunderbar schönen Fußball.

Eindrucksvoll ist auch die Biografie von Bernd M. Beyer über den Lebensweg von Helmut Schön. Sorgfältig recherchiert beschreibt Beyer, wie sich der für die damalige Zeit in der Fußballwelt außergewöhnlich feinfühlige Intellektuelle als Fußballer und Trainer durchsetzen konnte. In seiner Jugend wurde Helmut Schön Publikumsliebling beim Dresdner SC und spielte auch in der Nationalmannschaft unter Sepp Herberger. Er erlebte und überlebte die NS-Zeit als Fußballspieler und musste sich danach mit DDR-Funktionären auseinandersetzen. Dies führte zur Flucht nach Westdeutschland. Mit Sepp Herberger verband ihn ein sehr wechselreiches Verhältnis. Als er 1964 nach seiner Assistenzzeit bei Herberger als Nationaltrainer eingesetzt wurde, war der Einfluss von Herberger immer noch groß.

Beyer macht deutlich, wie sich Schön mit seinem eher demokratischen Stil als Trainer auch bei der Spielergeneration der rebellischen siebziger Jahre durchsetzen konnte.

Auf spannende Weise erzählt der Autor anhand des Lebensweges von Helmut Schön auch über fünf Jahrzehnte deutschen Fußballs. Damit gewinnt der Leser nicht nur einen Einblick in das Leben von Helmut Schön, sondern auch in die zahlreichen gesellschaftlichen Umbrüche dieser Zeit in Deutschland. Die mehr als 500 Seiten sind nicht nur für Fußballfans absolut lesenswert.

Bibliografie

Bernd M. Beyer:Helmut Schön
Eine Biografie
Verlag die Werkstatt, 544 S., 28 Euro
ISBN 978-3-7307-0316-8

© Verlag die Werkstatt


Football Leaks4. Juni 2017: "Schmutzige Geschäfte im Profifußball"

Die Fußballsaison 2016/17 ist gerade zu Ende gegangen. Am 1. Juli beginnt für die Vereine die Transferzeit. Bis zum 31. August können Transfers getätigt werden. Für Nachrichten aus der Fußballwelt ist also auch in der Sommerpause gesorgt.

Fußball hat heute eine gesellschaftliche Bedeutung, die weit über das Spiel hinausragt. Experten schätzen den Wert des Profifußballs alleine in Europa auf 20 Milliarden Euro pro Jahr. Weltweit sollen 2015 4,2 Milliarden Euro für Transfers ausgegeben worden sein.

Dabei ist im wahrsten Sinne des Wortes nicht immer alles Gold, was glänzt. Im Dezember 2016 brachte der SPIEGEL die erste Enthüllungsgeschichte über die schmutzige und kriminelle Seite des Milliardengeschäfts Fußball. In dem im April 2017 erschienen Buch "Football Leaks" präsentieren die SPIEGEL-Redakteure Rafael Buschmann und Michael Wulzinger die wichtigsten Enthüllungen. Fast wie in einem Krimi werden anhand von neuem, exklusivem Material die Geschäfte von Spielern, Hintermännern und Unternehmen, die am Fußball verdienen, beleuchtet. Im Mittelpunkt dabei steht die packende Geschichte von "John", dem Whistleblower, der den Fußball von mafiösen Einflüssen befreien will – und dabei selber vom Jäger zum Gejagten geworden ist.

Warum er sich in diese Situation gebracht hat, erklärt "John" dem Autor: "Der Sport (Fußball) ist großartig. Er bringt so viele Menschen zusammen, lässt sie gemeinsam feiern und trauern. Wo gibt es das denn noch, dass ein Handwerker etwas mit einem Arzt unternimmt… Das muss der Fußball sich behalten… ich will nicht zulassen, dass dieser Sport von irgendwelchen gierigen Managern zerstört wird."

Rafael Buschmann erlebte einige durchzechte Nächte mit "John", bei denen er ein wenig über den Menschen hinter den "Football Leaks" erfahren konnte. Und am Ende der Treffen auch noch weitere Festplatten mit tausenden neuen Dokumenten erhielt: Insgesamt sind es mehr als 18,6 Millionen Dokumente, die ausgewertet werden können. Zahlreiche dunkle Hintergründe des Fußballbusiness konnten bereits enthüllt werden.

So bezeichnen die Autoren z. B. Doyen Sports als die skrupelloseste Sportfirma der Welt. Eine interessante Anekdote dabei: Einer der Gründer von Doyen Sports, Arif Arif, ist Sohn von Tefik Arif, der in den USA eine Immobilienfirma gründete und in New York mit einem der bekanntesten, gerissensten und umstrittensten Immobilientycoone einen Hotel- und Apartmentkomplex hochzog: mit Donald Trump, dem heutigen US-Präsidenten.

Weitere Einzelheiten über dubiose Machenschaften werden über die Branche der Spielerberater beleuchtet, z. B. über Jorge Mendes, der erfolgreichste Spielerberater der Gegenwart, u. a. von WM-Torschützenkönig James Rodriguez, Jose Mourinho, Pepe und Christiano Ronaldo. Es zeichnet sich dabei ein Bild vom Fußballer als "Leibeigener auf Zeit" ab: keine freie Arztwahl, keine eigenen Klamotten bei öffentlichen Auftritten, Pressekontakte nur nach Absprache mit der Clubführung.

Die Nähe des Fußballs zur Macht und zu den Mächtigen ist groß, die Grenzen zu Politik und Wirtschaft fließend. Mit diesem Buch wird auch die Sommerpause nicht langweilig. Und die Fans können hoffen, dass einige Missstände dadurch entlarvt werden und "Johns" Wunsch zum Erhalt des wahren Werts des Fußballs erfüllt werden kann.

Bibliografie

Ralf Buschmann, Michael Wulzinger
"Football Leaks. Die schmutzigen Geschäfte im Profifußball"
DVA, 288 S.
16,99 Euro
ISBN  978-3-421-04781-6

© DVA


Lew Jaschin8. Mai 2017: "Der erste moderne Torwart"

Russland wird 2018 Austragungsort der FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft. Die Diskussionen dazu sind groß, weniger groß ist aber (in Deutschland) das Wissen über die russische Fußballgeschichte und die Bedeutung des Fußballs in Russland. Auch Lew Jaschin werden nicht sehr viele Fußballfans in Deutschland kennen. Er ist aber bis heute der berühmteste russische Fußballer und hat als bislang einziger Torwart 1963 den Ballon d'Or als "Europas Fußballer des Jahres" erhalten. Er wurde von der FIFA sogar zum Torwart des 20. Jahrhunderts gewählt und gilt als erster moderner Torwart und Vorläufer der Spielart von Manuel Neuer. Und nicht nur in Russland, sondern auch in Brasilien gibt es ein Denkmal für ihn.

Dietrich Schulze-Marmeling versucht diese Wissenslücke zu schließen. Er beschreibt in seinem Buch über den "Löwen von Moskau" nicht nur das Leben des 1929 geborenen Lew Jaschin, sondern gibt auch einen Überblick über die russische und sowjetische Fußballgeschichte. So begann Lew Jaschin seine Karriere eigentlich als Eishockey-Spieler und gewann als Torhüter von Dynamo Moskau 1953 den sowjetischen Pokal, ehe er im folgenden Jahr 1954 – diesmal als Fußballtorwart – mit Dynamo Moskau sowjetischer Fußballmeister wurde. Einer der Gründe war, dass es zu damaligen Zeiten kaum Winterspielplätze für Fußball gab, so dass im Winter Eishockey und im Sommer Fußball gespielt wurde. Nebenbei war Jaschin auch ein hervorragender Schachspieler. Schach galt in der Sowjetunion seit den 20er Jahren als Volkssport. Für seine erfolgreiche Torwartkarriere galt das Antizipieren von Spielzügen – wie beim Schach – als eine der Erfolgsformeln.

Von 1950 bis 1970 spielte Jaschin bei Dynamo Moskau und gewann mit der sowjetischen Fußballnationalmannschaft 1956 olympisches Gold und 1960 die Europameisterschaft. Diese Zeit gilt auch als eine der erfolgreichsten des sowjetischen Fußballs. Schulze-Marmeling beschreibt dabei auch den Einfluss der sowjetischen Politik auf den Fußball sowohl zu Jaschins aktiver Sportlerzeit als auch nach Jaschins Rückzug aus der Fußballwelt und den Umbruch in Russland.
Wer mehr über einen der herausragenden Fußballer des letzten Jahrhunderts aber auch Einblicke in die politischen und sozialen Dimensionen des Fußballs in der früheren Sowjetunion und im heutigen Russland erfahren will, kommt mit diesem Buch voll auf seine Kosten.

Bibliografie

Dietrich Schulze-Marmeling:
"Lew Jaschin − Der Löwe von Moskau"
Verlag Die Werkstatt
Hardcover, 272 Seiten
19,90 Euro
ISBN 978-3-7307-0331-1

© Verlag Die Werkstatt


Ballberliebt2. April 2017: "Rückpässe zum Torwart verbieten sich"

Auf der Leipziger Buchmesse entdeckte ich das Buch "Ballverliebt" und seinen Autor und stellte sofort fest, dass dieses Buch für diese Kolumne und als Empfehlung prädestiniert ist: Der Autor, Jochen Schmidt, ist Mitbegründer und immer noch aktiver Spieler der Autorennationalmannschaft, kann also direkt aus seiner Fußballerfahrung berichten. O-Ton: "In meinem Alter ist man als Fußballer schon ein Greis, als Schriftsteller dagegen noch Nachwuchs." Dass Fußball auch Kunst erzeugt, zeigt das Buch mit insgesamt 84 historischen (Moment-)Aufnahmen, die Jochen Raiß über viele Jahre gesammelt hat, viele davon Flohmarktfunde. Und diese teilweise grandiosen Fotos motivieren Jochen Schmidt als Meister der Beschreibung und "Fußballexperte" zu Texten, die in herrlich naiver, teilweiser skurriler Art unterschiedliche Phänomene vor allem aus der Welt des Fußballs freilegen.

Jochen Raiß hat bei der Auswahl der Fotos den "wahren Fußball" − Szenen aus dem Straßen- oder Hinterhoffußball − gesucht und gefunden, voller Leidenschaft und Herzblut, Amateuraufnahmen vom Anfang des letzten Jahrhunderts an. Und Jochen Schmidt findet dazu Geschichten, die auch nicht aus dem Profi-Fußball sondern aus der Sicht eines Fußballfans und Amateurfußballers berichten − und aus dem täglichen Leben. So z. B. in "Mein Leben als zweiter Ball": "Der Torwart, der vor Dienstantritt seinen Strafraum von Feuerzeugen, Bananenschalen und Klopapierrollen freiräumt wie der Hausmeister einen Klassenraum. Und später legt er die Zahl der Spieler in der Mauer fest, mit den Fingern, als würde er eine Runde Bier bestellen... Aber am meisten berührt es mich, wenn ein zweiter Ball aufs Spielfeld rollt. Wie achtlos er dann rausgekickt wird! ... Und dabei ist er identisch beschaffen, nichts unterscheidet die beiden Bälle voneinander. Gibt es ein besseres Bild dafür, wie ungerecht das Leben ist?" Und in "Alte Herren": "Wenn man bei uns einen perfekten Pass in den Raum spielt, macht der Mitspieler keinen Schritt, da er erwartet, dass er den Ball genau in den Fuß gespielt bekommt. ... Rückpässe zum Torwart verbieten sich auch, sie sind zu riskant, da der Torwart zu Stockfehlern neigt."

Dieses wunderschöne poetische Buch verführt zum Schmunzeln, manchmal auch Lachen und ist für Literatur- und Fußballliebhaber bestens geeignet.

Bibliografie

Jochen Raiss, Jochen Schmidt:
"Ballverliebt"
Texte zum Fußball von Jochen Schmidt zu historischen Amateuraufnahmen aus der Sammlung Jochen Raiß
Edel Books
Hardcover 208 Seiten
18,50 Euro
ISBN 978-3-8419-0508-6

© Edel Books


Huub Stevens5. März 2017: Vier Minuten deutscher Meister

Am 21. Mai findet in der VELTINS-Arena das Abschiedsspiel für den Schalker Jahrhunderttrainer Huub Stevens "20 Jahre Eurofighter – Bedankt Huub!" statt. Huub Stevens beendet seine aktive Trainerkarriere mit dem Rückblick auf den größten internationalen Erfolg als Trainer von Schalke 04: den UEFA-Pokalsieg 1997.

Diesen UEFA-Pokalsieg beschreibt Huub Stevens natürlich auch in seiner gerade erschienen Autobiografie "Niemals aufgeben". In seiner einfachen, geradlinigen Art erzählt er darin nicht nur von seiner Trainerzeit bei Schalke, sondern von seiner gesamten "Fußball-Lebensgeschichte".

Als Sohn eines einfachen Grubenarbeiters in den Niederlanden schaffte er eine beachtliche Fußballerkarriere u. a. beim PSV Eindhoven mit dem Gewinn des UEFA Cups 1978 und mit Einsätzen in der niederländischen Nationalelf. Seine Trainerkarriere startete er mit Roda Kerkrade und wechselte dann zum FC Schalke 04, mit dem er neben dem UEFA-Pokalsieg 1997 auch zweimal den DFB-Pokal holte. Die bei jedem Schalke Fan bekannten "4 Minuten Deutscher Meister" 2001 lässt Huub Stevens in seinem Buch natürlich nicht unerwähnt. Aber auch mit dem HSV und dem 1. FC Köln feierte er große Erfolge und den VFB Stuttgart rettete er zweimal vor dem Abstieg. In Österreich wurde er mit Red Bull Salzburg Meister.

Aber nicht nur im beruflichen Leben ist "Niemals aufgeben" für Huub Stevens wichtig. Seine Frau Toos leidet, wie auch seine Tochter, an Morbus Crohn und kämpfte 2007 um ihr Leben. Wie sehr das Huub Stevens bewegte und sich auch auf seine Trainerkarriere auswirkte, zeigt seine Autobiografie deutlich. Betroffen zeigt er sich auch von der Alzheimer Krankheit seines Freundes Rudi Assauer.

Spannend sind seine Einblicke in den Fußballbetrieb. Raffgierigen Spielerberatern verweigerte er auch schon mal den Zutritt zu den Umkleideräumen der Spieler und über unfähige Vorgesetzte finden sich einige Textpassagen, die auch schon den Weg in die aktuelle Fußballberichterstattung gefunden haben. Diese Autobiografie zeigt das ehrliche Porträt eines auch als "harter Hund" oder "Knurrhahn" bezeichneten meinungsstarken und integren Mannes, auf dem das Attribut "hart aber herzlich" hundertprozentig passt.

Bibliografie:

Huub Stevens
"Niemals aufgeben"
In Zusammenarbeit mit Bert Nederlof
Aus dem Niederländischen von Heike Baryga
Verlag Die Werkstatt
272 S. 
Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-7307-0333-5
19,90 Euro

© Verlag Die Werkstatt


Asphaltfieber5. Februar 2017: Rund um ein "Käfigfußball"-Turnier

Bei meiner aktuellen Empfehlung handelt es sich um einen Fußballroman für die Zielgruppe der eher jungen Leser. "Asphaltfieber" ist eine gelungene Geschichte über eine Freundschaft zwischen zwei unterschiedlichen 14-jährigen Jungen, die die Leidenschaft für Fußball zusammenbringt.

Dabei gibt das Buch nicht nur Einblick in die Bedeutung, die Fußball für viele Jugendliche hat, sondern auch in deren Lebenswelten, hier speziell in Berlin. Durch die Schilderung der Freundschaft zwischen dem dunkelhäutigen Dany aus einer gut situierten Familie aus Berlin Dahlem und dem blonden Samy aus Neukölln, dessen Mutter Alkoholikerin ist, sowie deren Fußballteam, darunter die beiden Spielerinnen Ayse und Selin, werden zahlreiche aktuelle gesellschaftliche Themen angesprochen. Geschickt werden Vorurteile bloßgestellt, aber auch die Schwierigkeiten gezeigt, sich in einem sozial schwachen Umfeld zu behaupten und weiter zu entwickeln. Die Ereignisse rund um ein großes "Käfigfußball"-Turnier bieten den Rahmen der verschiedenen Erlebnisse der beiden Hauptfiguren Dany und Samy. Und es fehlt auch nicht ein Vorbild und Trainer, der die Jugendlichen nicht nur beim Fußballspielen tatkräftig unterstützt.  

Michael Horeni, als FAZ-Fußballkorrespondent immer "am Ball" des aktuellen Fußballgeschehens, kennt sich in den sozialen Milieus der Jugend-Fußballwelt gut aus, insbesondere in Berlin. Mit seiner Reportage über die Boateng-Brüder hat er schon auf sich aufmerksam gemacht. Die Ähnlichkeit mit der Lebensgeschichte von Jérôme Boateng ist in diesem Buch spürbar. Daher passt auch die persönliche Empfehlung von Nationalspieler Boateng: "Dieses Buch ist für alle, die an ihren Traum glauben".

Bibliografie

Michael Horeni
Asphaltfieber 
Baumhaus, 2016
251 Seiten 
ISBN: 978-3-8339-0388-5
12,99 Euro

© Baumhaus


Johan Cruyff15. Januar 2017: Genialer Dirigent der Elftal

Eine der wenigen Personen, die nicht nur durch seine spielerische Genialität, sondern auch durch seine Trainertätigkeit zur Legende geworden ist, ist Johan Cruyff. Wenn am 21. Januar wieder die Rückrunde der Bundesligasaison startet, steckt einiges an Einfluss von Johan Cruyff in den Spielen. Er hat mit dynamischem und leidenschaftlichem Angriffsfußball legendäre Erfolge erzielt, sowohl bei Ajax Amsterdam als auch danach beim FC Barcelona. Unvergessen ist in Deutschland das WM Finale von 1974, bei dem Deutschland im Spiel gegen die Niederlande mit 2:1 Weltmeister wurde, aber die Niederlande mit ihrem Spiel während der WM begeisterten.

Mit Johan Cruyff gehörte das Nationalteam Holland zu den Top-Fußballnationen. Als Trainer schaffte er es, den FC Barcelona zu einem der weltbesten Vereine zu formen. Einer seiner damaligen Spieler, Pep Guardiola, eiferte seinem Vorbild nach und baute die Position Barcelonas weiter aus, wobei er selber sagte: "Cruyff baute die Kathedrale. Wir halten sie nur instand." Sicherlich integrierte er die Ideen von Cruyff auch in den drei Jahren als "Top-Top-Trainer" bei Bayern München.

In seiner posthum erschienen Autobiografie beschreibt Johan Cruyff nicht nur sein Leben als leidenschaftlicher Fußballer und taktisch kluger Trainer, sondern auch den Menschen Johan Cruyff. Offen berichtet er über seine menschlichen Enttäuschungen z.B. mit seinem Vorbild und Freund Ruud Michels, der ihm den Job als Nationaltrainer verwehrte. Oder seiner Beinah-Entführung, die zum Verzicht der Teilnahme an der WM 1978 in Argentinien führte. Er kritisiert die Vereinsbosse, denen populäre Namen wichtiger als eine funktionierende Mannschaft sind, und erzählt dazu einige Anekdoten. Wichtig war ihm nach seiner Trainerkarriere aber auch die von ihm gegründete Cruyff Foundation und das Cruyff Institute für eine fundierte Ausbildung von Sportlern und Sportmanagern. Und natürlich kommt auch seine Beziehung zu seiner Frau Dany und zu seinem Sohn Jordi nicht zu kurz.

Insgesamt gibt Cruyff einen tiefen Einblick in die Fußballvereins-Strukturen, Taktiken und Strategien eingebettet in sein Fußball-Leben und bietet damit eine beispielhafte Fußballhistorie von den 70er Jahren bis heute.

Johan Cruyff starb im März 2016, im Stadion Camp-Nou fand dazu eine große Trauerfeier mit vielen Wegbegleitern der Fußball-Legende statt.

Bibliografie

Johan Cruyff
Mein Spiel 
Droemer, 2016
336 Seiten 
ISBN: 978-3-426-27696-9
19,99 Euro

© Droemer

 

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