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Was normalerweise keine News wert ist, ist in diesem Fall eine. Denn: Daniel Keita-Reul war mehr als vier Jahre im Gefängnis. Und hat danach den Weg in den Profi-Fußball geschafft. Über seine "Zweite Chance" (Kiepenheuer & Witsch, 2020) hat er gemeinsam mit Harald Braun ein Buch geschrieben, das im Januar erschienen ist.

Über seine "Zweite Chance" (Kiepenheuer & Witsch, 2020) hat er gemeinsam mit Harald Braun ein Buch geschrieben, das im Januar erschienen ist.
Daniel Keita-Ruel wuchs als Sohn einer Französin und eines Senegalesen in Wuppertal auf, der Vater verließ die Familie. Schon als Kind war Daniel Keita-Ruel fußballbegeistert und bereits mit sechs Jahren im Fußballverein Borussia Wuppertal, später dann Wuppertaler SV. Sein Ziel schon damals: Profifußballer werden. Alles andere spielte keine Rolle. Dank des Einflusses seiner Mutter gelang ihm doch noch die Mittlere Reife. Auf dem Bolzplatz und im „Käfig“ war er immer dabei. In seiner Autobiografie schreibt er, dass diese „Käfigspiele“, bei denen er auch gegen die Boateng-Brüder spielte, einen großen Teil zu seinen fußballerischen Fähigkeiten beigetragen hatten.

Seine erste Chance hatte er bereits mit 16 Jahren, als ihn Max Eberl in die U19 von Borussia Mönchengladbach aufnahm. Diese Chance lies Daniel Keita-Ruel ungenutzt. Max Eberl beschreibt es so: "In den Beinen Bundesliga. Im Kopf nur Kreisliga. […] Ich hatte den Eindruck, dass er sich zu sehr auf sein Talent verlassen und dabei vergessen hat, ein wenig mehr zu machen, als es notwendig gewesen wäre, um ganz nach oben zu kommen“. Daniel Keita-Ruel meint dazu selbst: „[…] ich hielt mich bereits für einen richtigen Profi. […] zufrieden, stolz und bereit, das süße Leben des Profis […] auszukosten“. Diese Selbsterkenntnis hatte er damals leider noch nicht. Nach dem für ihn enttäuschenden Ende bei Borussia Mönchengladbach, einem Jahr Spielzeit beim Bonner SC und danach wieder beim Wuppertaler SV war er mit sich und der Situation sehr unzufrieden.

Die wahre Geschichte, die dann folgt, könnte auch aus einem schlechten Film stammen. In seiner italienischen Stammkneipe lernte er die falschen Leute kennen und war plötzlich mittendrin in kriminellen Aktivitäten. Insgesamt vier Raubüberfälle führte die Bande durch, die im Buch auch ausführlich beschrieben werden. Keita-Ruel beschönigt nichts, versucht aber zu erklären, dass er niemanden schaden wollte. Er wusste nur nicht, wie er den „Freunden“ nein sagen konnte. Dieser fehlende Mut ist sogar nachvollziehbar, da es sich zu dieser Zeit um einen unzufriedenen, eher unreifen 20-jährigen handelt.

Das Resultat war drei Jahre, elf Monate und zwei Wochen Gefängnis. Obwohl er nicht der Haupttäter war, war er länger im Gefängnis als alle anderen. Auch diese Situation wird beschrieben.
Der Wille an seinem Ziel, Profifußballer zu werden, auch im Gefängnis weiterzuarbeiten, ist erstaunlich. Mit seiner umgänglichen Art gewann er auch im Gefängnis einige Unterstützer. Einer davon motivierte ihn, von der JVA Wuppertal in die Düsseldorfer JVA zu wechseln. Der Bericht von Jürgen Gleis, einem Justizvollzugsbeamten aus Düsseldorf, gibt seinen positiven Eindruck über Daniel Keita-Ruel wieder. Mit der Verlegung von Keita-Ruel in die JVA Düsseldorf wurden dessen Trainingsbedingungen verbessert. Aufgrund seiner Leistungen wurde er in der JVA Sportwart und hatte dadurch Gelegenheit, jederzeit zu trainieren. Dabei unterstützten ihn auch Mitarbeiter der JVA. Allerdings stand er sich wieder selbst im Wege: Im offenen Vollzug musste er auch eine Ausbildungsstelle antreten, zu der er nicht regelmäßig erschien. So gelangte er in den letzten Monaten bis zu seiner Entlassung wieder in den geschlossenen Vollzug.

Nach der Entlassung startete er durch. Er spielte 2015 in der Oberliga für Germania Ratingen. Durch einen Bekannten erhielt er Kontakt zum Label LFDY, die ihn direkt als Model buchten. Diese Zeit beschreibt er als sehr verlockend, aber er blieb seinem Ziel Profifußball treu und brach in der Saison 2016/17 das Modeln ab. Dafür erhielt er ein Angebot von Fortuna Köln in der 3. Bundesliga, dass er für die Saison 2017/18 auch annahm. Und danach ging es zu Greuther Fürth.

Diese Autobiografie ist authentisch und einfach geschrieben, der Leser kann ein Gefühl für den Lebensweg von Daniel Keita-Ruel entwickeln. Durch die Mischung von eigenen Aussagen und den Aussagen von 14 Weggefährten wird das Puzzle vollständig: Er war in der Jugend ziemlich undiszipliniert und hat sich dadurch einige Chancen verbaut. Die Kraft und der Wille, es schaffen zu wollen und die Einsicht, was dazu nötig ist, hat er dann im Gefängnis gewonnen und durchgesetzt. Und das ist wirklich bewundernswert. Was die Aussagen der 14 Weggefährten bekräftigen und was ich persönlich von Leuten des Vereins Greuther Fürth gehört habe, ist eines: Keita-Ruel ist ein offener, liebenswerter Mensch, der aus seinen Fehlern gelernt hat, dazu steht und seine zweite Chance voll genutzt hat.

Auch wenn er von sich sagt, er ist kein Vorbild, ist er es in gewisser Weise doch: Er kann Jugendlichen zeigen, welchen Weg sie nicht gehen sollten. Und dass es immer eine zweite Chance gibt, man muss sie nur nutzen.

Deshalb werde ich dieses Buch auch für den Lese-Kicker in der Kategorie "Bestes Fußball-Jugendbuch“ vorschlagen. Mit seiner einfachen Sprache und den persönlichen Erfahrungen des Fußballers Daniel Keita-Ruel spricht es sicherlich viele Jugendliche an. Denn es belehrt nicht, sondern lässt an einer wahren Geschichte erkennen, was im Leben wichtig ist.  

Auch für Erwachsene ist das Buch sehr lesenswert, sofern man keine anspruchsvolle Literatur erwartet, sondern „nur“ eine interessante Geschichte.

Daniel Keita-Ruel
Zweite Chance
Mein Weg aus dem Gefängnis in den Profifußball
Mit Harald Braun
ISBN: 9783462053623
Kiepenheuer & Witsch
16 EUR, 218 Seiten

Copyright Cover: Kiepenheuer & Witsch

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